Sonntag, 12.09.1999
Als wir wach werden, hören wir schon das gleichmäßige Plätschern des Regens draußen vor unserem Fenster. Als wir einige Zeit später
losfahren und unterwegs auf einem Rastplatz gemütlich frühstücken, klart es sich auf, und bei unserer Weiterfahrt durch eine wunderschöne
Landschaft haben wir bald strahlenden Sonnenschein. Vor Medizian Junction geraten wir in eine zehn Kilometer lange Baustelle, bei deren
Anblick wir vermuten, daß der ursprüngliche Alaska-Highway früher mal so ausgesehen haben mag. Auf dem rutschigen und matschigen
Untergrund schlingert der Camper von einer Seite zur anderen. Wenige Kilometer hinter Iskut haben wir vorhin einen Schwarzbären mit zwei
Jungen an der Straßenböschung gesehen. Während Horst bei unserer kurzen Rast das tief unter uns liegenden Tal fotografiert, sind die
zotteligen Gesellen hinter seinem Rücken die Böschung hochgetapst, um die Straße zu überqueren. Bei unserer Weiterfahrt sehen wir nur
wenige Kilometer später einen weiteren Schwarzbären. Unsere heutige Mittagspause verbringen wir bei strahlendem Sonnenschein und
angenehmen Temperaturen an einem idyllischen See und verspeisen den geräucherten Lachs (köstlich!).
Gegen 16.30 Uhr haben wir dann
nach langer Fahrt endlich Stewart erreicht. Hier sieht es noch genauso aus wie bei unserem Besuch im vergangenen Jahr. Uns kommt es auch
diesmal so vor, als hätte man hier das Rad der Zeit etwas zurückgedreht. Da mich eine unangenehme Erkältung erwischt hat, werden wir heute
im King Edward Hotel übernachten, wo wir auch letztes Jahr schon waren. Dann hält uns nichts mehr in Stewart. Uns zieht es wie magisch zum
Fish-Creek nach Hyder und damit zu "unseren" Bären. Als wir auf der Schotterstraße am dortigen Parkplatz ankommen, steht auch dieser wie
vergangenes Jahr voller parkender Wohnmobile und Mietwagen. Wir trauen unseren Augen nicht, als wir den kleinen Camper unserer
"Arizona-Lady" dort stehen sehen, die wir im vergangenen Urlaub hier kennengelernt haben. Das kann doch nicht wahr sein! Aber sie ist es
tatsächlich, und freudestrahlend fallen wir uns in die Arme. Wenige Wochen vor unserem Abflug haben wir von ihr noch eine Urlaubskarte aus
Kanada bekommen, in dem sie uns schrieb, daß sie dieses Jahr hoch in den Norden Kanadas fahren wollte. Eines ihrer Ziele war Inuvik, und
nun steht sie hier mit uns am Fish-Creek, um die Bären zu beobachten. Sie ist erst gestern nachmittag hier angekommen. Wir können es immer
noch nicht fassen, daß wir uns in diesem riesigen, teilweise fast menschenleerem Land, hier wiedertreffen.
Im Fluß sind im Gegensatz zum letzten Urlaub sehr wenig Lachse zu sehen. Auch die Ranger sind schon abgezogen. Offensichtlich ist die
Saison für dieses Jahr vorbei, so daß wir befürchten, auch keine Bären mehr zu sehen. Aber innerhalb weniger Stunden kommen vier von
diesen Pelztieren durch den flachen Fluß gewatet, immer auf der Suche nach einem dicken fetten Lachs. Mit etwas Glück werden sie auch
fündig. Das Wasser spritzt hoch zu allen Seiten, als sie mit einem plötzlichen Sprint ihrer Beute nachjagen. Mit dem Wetter haben wir auch
diesmal ein Riesenglück. Die Sonne strahlt noch lange vom wolkenlosen blauen Himmel, so daß ich mit der Videokamera hoffentlich einen
schönen Bärenfilm drehen werde. Neben der Alaska-Lady erblicken wir dann auch noch ein weiteres bekanntes Gesicht. Wie sich herausstellt,
handelt es sich dabei um den Bärenforscher (Keith Scott), der schon seit über 25 Jahren den Bären auf der Spur ist. Er selbst hat sich die
Bezeichnung gegeben "Der Mann, der mit den Bären spricht" und hat über die Grizzlys und Schwarzbären am Fish-Creek ein Buch
geschrieben, das ich kaufe. Als schöne Erinnerung an unsere Bärenerlebnisse in Hyder schreibt er für Horst und mich eine Widmung hinein. Ich
bin so von dem Buch fasziniert, daß ich sogleich mit dem Lesen beginne. Dabei achte ich einen Moment lang nicht auf den Weg und das, was
um mich herum geschieht, als ich plötzlich ziemlich unsanft am Ärmel zurückgerissen werde: Ich wäre um ein Haar mit einem dicken Grizzly
zusammengestoßen, der nur wenige Meter vor mir den Weg überquert, um den gegenüberliegenden kleinen, von dichten Bäumen umstandenen
See zu erreichen! Nach diesem Blutdrucksteigernden Erlebnis lasse ich mich durch nichts mehr ablenken und bin immer auf der Hut vor
plötzlichen auftauchenden Petzen. Ich will schließlich nicht als Bärenfutter enden.
Die üblichen Befragungen am Grenzübergang nach Stewart (Hyder liegt schon in Alaska), lassen wir bei unserer Rückfahrt gelassen über uns
ergehen. Das kennen wir ja nun schon vom letzten Jahr.
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