Donnerstag, 09.09.1999
Gegen 5 Uhr ist dann für uns endgültig die Nacht zu Ende. Kurz vor 7 Uhr sind wir dann im Frühstücksraum, der von mehreren Reisegruppen bis
fast auf den letzten Platz besetzt ist. Jetzt kennen wir auch den Grund dafür, warum das Frühstücksbüffet so mager aussieht, und niemand macht
Anstalten, es wieder aufzufüllen. Da für mich bis auf Obst und Rührei sowieso nichts dabei ist, macht mir das wenig aus. Horst hat allerdings
etwas Schwierigkeiten, sich ein für ihn anständiges Frühstück zusammenzustellen und entscheidet sich letztendlich auch für Rührei mit Speck.
Nachdem wir unsere Mägen nun etwas gefüllt haben, wollen wir draußen noch ein wenig frische Luft schnappen. Mittlerweile hat sich die
Volksmenge aber in die Hotelhalle verlegt, so daß dort vor lauter Menschen und herumstehenden Koffern kaum ein Durchkommen ist. Vor der
Eingangstür fährt in kurzer Reihenfolge ein Sightseeing-Bus nach dem anderen vor, und plötzlich ist dann der Spuk mit dem
Menschengewimmel vorbei. Die sitzen nun alle in den Bussen und lassen sich durch die Gegend schaukeln. Wir ziehen wieder unsere warmen
Jacken über und spazieren mit Schirm und Kamera bewaffnet durch die Stadt zum Visitor-Centre, um uns dort mit zahlreichem Infomaterial und
Straßenkarten einzudecken.
Um 10 Uhr steht Olivier von der Wohnmobilvermietstation pünktlich in der Eingangshalle und fährt uns zur Vermietstation. Unterwegs erzählt er
uns, daß er ursprünglich aus Genf kommt, aber schon seit einigen Jahren in Kanada lebt. Er spricht gut Deutsch, was bei der fast zweistündigen
Übergabe des Campers für uns ein großer Vorteil ist. Entgegen unseren ursprünglichen Befürchtungen scheint dieser im Innenraum doch über
genügend Stauraum zu verfügen. Daß sich Toilette und Dusche gegenüber der kleinen Küche im Kleiderschrank befinden, registriere ich
anfangs nur am Rande und nehme es erst mal ziemlich gelassen hin. Im Gegensatz dazu Horst, der regt sich unterwegs auf unserer Fahrt zurück
in die Stadt und zum Supermarkt fürchterlich darüber auf. Ich bleibe immer noch gelassen, was sich aber dann zu einem späteren Zeitpunkt
doch noch gravierend ändern wird.
Im Supermarkt, den wir gestern schon etwas ausgekundschaftet haben, bunkern wir Vorräte für die nächsten Tage für unser rollendes Heim und
verstauen die frischen Sachen im überraschend großen Kühlschrank mit großem Gefrierfach. Ich bin mir sicher, daß ich da meine Brote alle
deponieren kann. Unser Mittagessen verspeisen wir in einem kleinen gemütlichen Steakhaus. Beim Parken des Campers fällt uns auf, daß der
Wassertank etwas undicht ist und wir ständig kleine Mengen Wasser verlieren. Vorsichtshalber telefonieren wir mit der Vermietstation und
vereinbaren mit Olivier für morgen früh noch mal einen Termin, bevor wir Whitehorse verlassen werden. Er vermutet, daß nur ein Filter undicht ist
und ausgewechselt werden muß (wieso ist das dann nicht bei der Kontrolle vor der Fahrzeugübergabe aufgefallen?). Nach dem Essen
telefoniere ich mit Leona, die erst heute mittag mein Paket mit glutenfreien Lebensmitteln erhalten hat. Mit ihr werden wir uns um 17 Uhr treffen,
um die Sachen abzuholen. Wir kehren kurz ins Hotelzimmer zurück, wo auf uns eine Überraschung wartet. Leona hat uns zur Begrüßung einen
bunten Blumenstrauß geschickt! Wir machen uns auf den Weg zu ihr und ihrem Mann Stan und halten unterwegs zunächst an der Fish-Ladder
(einer Art Leiter für die den Yukon hochschwimmenden Lachse, damit diese das Stauwehr des Elektrizitätswerkes überwinden können). Zu
unserem großen Bedauern hat diese Attraktion aber vor drei Tagen geschlossen. Am Infohäuschen hängt ein Zettel: Sorry, we are closed for the
season. Diesen Satz werden wir im Verlauf unserer Reise noch öfters lesen.
Schon gestern ist uns aufgefallen, wie wenig Touristen man sieht.
Die Saison geht hier oben im Norden langsam aber sicher dem Ende entgegen, und der Yukon richtet sich allmählich auf den Winter ein. Das
alte Dampfschiff des Yukon, die legendäre "Klondike" kann zwar noch besichtigt werden, aber das schaffen wir heute nicht mehr, wenn wir um
17 Uhr bei Leona sein wollen. Bei ihr stehen wir dann auch kurze Zeit später pünktlich vor der Tür. Sie und ihr Mann Stan sind nette Leute. In
ihrer Familie gibt es noch mehrere Zöliakie-Fälle. Als sie dann mein Paket holt, kriege ich einen kleinen Schreck, als ich das Riesenpaket mit
den bestellten Lebensmitteln sehe (neben Brot habe ich auch noch Nudeln und ein paar Packungen Kekse geordert). Zunächst sieht es so aus,
als könnte ich davon noch zwei Leute mit verköstigen, aber drei Wochen sind schließlich lang.
Wir unterhalten uns ungefähr eine Stunde mit den beiden. Dann verabschieden wir uns von ihnen. Nach unserer Rundreise und Rückkehr nach
Whitehorse wollen wir uns noch mal telefonisch in Verbindung setzen, und wenn wir noch Zeit genug haben sollten, uns noch einmal treffen.
Am Hotel angekommen, packen wir die Brote in den Kühlschrank bzw. ins Gefrierfach. Sie sind schon in Scheiben geschnitten und Vakuum
verpackt. Das alles sieht sehr köstlich aus: Reis-Brot, Reis-Rosinen-Brot, Käse-Reis-Brot, Mehrkorn-Reis-Brot, Hot-Dogs, Sesam-Bagels,
Zimtschnecken.... Es sieht ganz nach einer dreiwöchigen Schlemmerreise aus. Ob das stimmt, wird sich in den nächsten drei Wochen zeigen.
Unsere Koffer wollen wir erst morgen abend auf unserem ersten Campingplatz auspacken. Heute Nacht werden wir noch einmal den Komfort
einer Hotelübernachtung genießen, bevor wir uns ab morgen platzmäßig doch sehr beschränken müssen. Wir machen noch einmal einen
Spaziergang in den Supermarkt und kaufen dort einen Wischer für den Fußboden, der wird nämlich unter Wasser stehen, wenn wir duschen.
Daß das eine Fehlinvestition sein wird, wird sich allerdings erst zwei Tage später herausstellen. Gegen 20 Uhr liegen wir geschafft im Bett.
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