Montag, 18.09.2000
Heute Morgen bin ich als Erste wach und lese noch ein wenig, bevor der "Herr des Hauses" dann auch endlich seine Augen aufschlägt. Beide
genießen wir den Sonnenaufgang über dem See. Der Himmel ist blankgeputzt. Mit anderen Worten: Wir haben mal wieder traumhaftes Wetter.
Draußen sind alle Pfützen des Campgrounds dick zugefroren. Das hält uns aber nicht davon ab, in der Morgensonne einen kleinen Spaziergang
zum See zu machen. Mit uns stehen noch ein anderes Wohnmobil und ein Camper mit Zelt hier. Wenig später fahren wir unserem nächsten Ziel
entgegen. Wir halten wegen phantastischer Ausblicke hinter jeder Ecke (dies ist wirklich der schönste Abschnitt der ganzen Strecke, finden wir),
um Fotos und Filmaufnahmen zu machen. Das Panorama ist wirklich überwältigend. Noch viel mehr sind wir aber von der fast absoluten Stille
um uns herum fasziniert. Es ist einfach "Nichts" zu hören, bis sich ein Auto in weiter Ferne mit Motorbrummen bemerkbar macht. Teilweise
ähnelt die Landschaft hier der von Neuseeland am Mount Cook. Durch unsere zahlreichen Stops kommen wir kaum von der Stelle. Auf einer
weiten Hochebenen sehen wir dann plötzlich eine große Karibuherde, die durch die Gegend streift. Leider sind die Jäger auch schon hier, und
durch das Fernglas muß ich fassungslos mit ansehen, wie einer von ihnen ein soeben abgeschossenes Tier abtransportiert.
Inzwischen ist die Gravelroad nur wenige Meter hinter unserem letzten Übernachtungsplatz wieder in eine Asphaltstraße übergegangen. Wir
sind unmittelbar vor dem kleinen Ort Paxson. Die Straße geht immer weiter bergab, und hinter der nächsten Kurve fahren wir plötzlich durch
einen dichten dunklen Wald, und auch die Farbenpracht der Blätter nimmt wieder zu. Die Natur sieht hier aus, wie vergangenen Herbst im
Yukon. Die Landschaft mit ihren herbstlich goldenen Blättern macht den Eindruck, als hätte jemand Honig in sämtlichen Schattierungen über sie
gegossen. Bald haben wir die Kreuzung erreicht und biegen auf den Richardson Highway Richtung Süden ab. Die Straße schlängelt sich eine
Zeitlang durch ein Waldgebiet am traumhaft gelegenen 11 Meilen langen Paxson Lake entlang. Auf dem wunderschön gelegenen dortigen
Campground, dessen Stellplätze uns riesengroß erscheinen und weit auseinander liegen, machen wir eine kurze Rast und nutzen die
Möglichkeit zum Dumpen. Auf den wirklich groß dimensionierten Stellplätzen hat man das Gefühl, ein kleiner Waldbesitzer zu sein. Der nächste
Nachbar ist bei dichtem Baumbestand kaum auszumachen. Am Meyers Lake tanken wir auf und wollen Gas nachfüllen. Mit dem Gasauffüllen
gibt es zuerst Probleme, da der Kassierer hinter der Kasse mit seinem dicken Kugelbauch und kurzärmeligen T-Shirt (immerhin sind auch hier
die Pfützen noch gefroren!) zunächst offensichtlich keine Lust dazu hat. Erst als sich sein Kompagnion einschaltet, klappt es plötzlich. Als wir
nach Wasser fragen, dann die nächste Hürde. Wasser zum Nachfüllen gibt es angeblich hier in der gesamten Gegend nicht, höchstens in
Glennalen oder Valdez, wo wir heute noch hinwollen. Auf meine Frage, ob er den wenigstens Briefmarken habe (ich wollte eigentlich noch eine
Karte verschicken), dann sein nächstes kategorisches "Nein", Briefmarken gäbe es hier nur dienstags und donnerstags, wenn jemand von der
Poststelle hier wäre. Ich muß schon sagen, ein wirklich gastlicher Ort, dieser Meyers Lake! Wir sehen jedenfalls zu, daß wir hier schleunigst
wegkommen. Unsere Traumreise bei Traumwetter geht weiter Richtung Süden. Die Bilderbuchlandschaft gleicht der am Cassiar Highway: eine
bunte Herbstlandschaft in allen Schattierungen unterbrochen von dichten grünen Wäldern und zahlreichen Seen. Zwischen all dem blitzt an
manchen Stellen hier dann auch die Alaska-Pipeline durch das Grün der Wälder. Auf dem Sourdough Campground, der gerade winterfest
gemacht wird, kochen wir unser Mittagessen, bevor es weiter geht.
Immer wieder werden wir zu kurzen Fotostops verführt. Der Richardson Hwy.
ist kaum befahren, was uns doch sehr wundert. Wir hatten hier mit wesentlich mehr Verkehr gerechnet. Aber es soll uns nur Recht sein. Am
Horizont tauchen die mit einer dicken Schneekappe überzogenen Gipfel der Wrangel-St. Elias-Mountains auf. In Gulkana kreuzen sich der
Glenn- und Richardson Hwy. Wir fahren zunächst auf den Glenn Hwy. nach Glennalen und füllen an einem RV-Park gegen eine Gebühr von 3
Dollar unsere Wasservorräte auf, bevor es wieder zurück auf den Richardson Hwy. in Richtung Valdez geht. Mittlerweile reicht die Bezeichnung
"Traumstraße" hierfür fast schon nicht mehr aus. Es ist nicht nur die farbenprächtige Laubfärbung, die Begeisterung hervorruft. Die Eisriesen der
nahen Wrangel Mountains tauchen hinter einer Kurve auf. Sie sehen aus wie riesige Puderzuckerberge, die man einfach in die flache
Landschaft gesiebt hat.. Einen besonders schönen Rundblick hat man vom Parkplatz des Willow Lake, von wo aus man die 4.000 - 5.000m
hohen Riesenberge bestaunen kann. Im Visitor-Infocenter vom Copper Center erzählt man uns, daß das heutige Wetter das beste seit langem
sei. Auf dem weiteren Weg nach Valdez jagt ein landschaftlicher Höhepunkt den nächsten. Einen letzten Halt machen wir dann noch am
Worthington-Gletscher, den man schon von weitem von der Straße aus sieht. Dann geht es noch über den 816 m hohen Thompson Pass, auf
dem laut Reiseführer im Winter gewaltige Schneemassen aufgrund der Pazifiknähe niedergehen sollen, und dann ist für heute Schluß mit der
Fahrerei. Wir bleiben auf dem Blueberry Lake Campground stehen, der mitten zwischen der baumlosen Küstenberge liegt. Hier haben wir das
Gefühl, in den Alpen zu sein. Mit uns stehen nur noch drei andere Fahrzeuge hier oben.
W E I T E R
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